Amt für Ländliche Entwicklung Unterfranken
Riesiges Interesse am Wargolshäuser Kommunikationshof
(18. August 2022) Wargolshausen – Zwei leerstehende ehemalige landwirtschaftliche Anwesen hat die Dorfgemeinschaft von Wargolshausen, einem Ortsteil der Gemeinde Hollstadt im Landkreis Rhön-Grabfeld, mit Unterstützung des Amtes für Ländliche Entwicklung (ALE) Unterfranken zu einem Kommunikationshof umfunktioniert. Er besteht aus einem Festsaal mit Versorgungsgebäude, einem Lager für Vereinsutensilien sowie einem Ausstellungsraum für eine historische Dreschmaschine. Seit zwei Jahren ist die Einrichtung in Betrieb, konnte Corona-bedingt aber jetzt am 14. August 2022 erst offiziell ihrer Bestimmung übergeben werden. Dazu feierten die Wargolshäuser und Hunderte Gäste ein Dreschfest. Die Getreideernte wie vor 65 Jahren geriet zum Volksauflauf.
Jeden Schritt, wie die Bevölkerung das Korn wie ihre Großeltern einbrachten, begleitete ein Kamerateam des Bayerischen Rundfunks. Der Sender strahlt den Beitrag voraussichtlich am Sonntag, 21. August 2022, um 19 Uhr aus.
Speisen wie anno dazumal
Selbstverständlich verpflegten sich die fleißigen Helferinnen und Helfer wie anno dazumal, beispielsweise mit Tiegelkuchen, Bohnen und Schwarzfleisch. Auch Mehlklöß‘ und Gurkensalat mit saurem Rahm durften nicht fehlen. Und sowieso nicht Plootz – Hefekuchen auf dem Backblech – in verschiedenen Varianten. Da griffen auch die Besucherinnen und Besucher kräftig zu.
Prominentester Ehrengast war die Hammelburger Bundestagsabgeordnete der Grünen Dr. Manuela Rottmann. Seit dem Regierungswechsel in Berlin ist sie Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium. In Anbetracht des Einsatzes der Dreschmaschine aus dem Jahr 1957 meinte die Politikerin, bei der fortschreitenden Technisierung könne ein Blick auf das Gewesene hilfreich sein.
Applaus für Lärm und Schmutz
Ruthard Büttner zog mit einem 84 Jahre alten Lanz-Bulldog das tonnenschwere Großgerät ins Freie. Maschinenchef Alois Müller legte den Schalter um, sodass zahlreiche Rollen, Bänder und Zahnräder langsam auf Touren kamen. Der Geräuschpegel steigerte sich und Staub wirbelte durch die Luft – zur Begeisterung der umstehenden Interessierten.
Die Arbeitsweise früherer Generationen auf dem Feld beziehungsweise auf dem Bauernhof wird auch während der restlichen Zeit des Jahres eindrucksvoll im Wargolshäuser Kommunikationshof präsentiert. Stellvertretender Landrat Josef Demar spricht von einem Leuchtturmprojekt. ALE-Leiter Jürgen Eisentraut lobt vor allem das riesige Engagement im Ort.
Zusammenhalt sucht seinesgleichen
Die Gemeinschaft zu stärken, ist das Ziel jedes Dorferneuerungsprojekts. Die einzelnen Schritte koordiniert und begleitet das ALE. Die Behörde bewilligt auch entsprechende Fördergelder beziehungsweise ruft diese ab. In der Mitte von Wargolshausen packten die Bürgerinnen und Bürger vorbildlich an, um zwei leerstehende ehemalige landwirtschaftliche Anwesen zum Kommunikationshof umzubauen. Es sei ein herausragender Beitrag zur Innenentwicklung gelungen, meldete das ALE ans Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten nach München. In den Unterlagen heißt es ferner: „Der Zusammenhalt in der Bevölkerung sucht seinesgleichen.“
Neben einer Festhalle mit Versorgungs- und Küchentrakt sowie einem Lager entstand auch ein Ausstellungsraum für die betagte, aber uneingeschränkt funktionstüchtige Dreschmaschine. Zur Präsentation dieses „technischen Meilensteins“ wurde zudem ein museumspädagogisches Konzept entwickelt. Natürlich liegt es da nahe, nach der Corona-bedingten Zurückhaltung der zurückliegenden beiden Jahre, in denen der Kommunikationshof schon vollumfänglich zur Verfügung stand, nun ein großes Dreschfest zu feiern.
Vereinsgemeinschaft sorgt für Unterhalt
Eigentümerin sowohl des Kommunikationshofs als auch des Hauses des Gastes unmittelbar daneben ist die Gemeinde Hollstadt. Diese überlässt die Gesamtanlage per langjährigem Pachtvertrag der Vereinsgemeinschaft Wargolshausen unentgeltlich. Die Vereinsgemeinschaft trägt die laufenden Kosten und den Gebäudeunterhalt. Ihre Mitglieder sind die mehr als ein Dutzend örtlichen Vereine und Organisationen. Sie dürfen die Einrichtung nutzen, die selbstverständlich auf deren Bedürfnisse zugeschnitten ist.
Die ursprünglichen Gebäude stammten vermutlich aus der Zeit um 1900. Sie waren nicht im Denkmalatlas des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege gelistet. Die beiden Anwesen an der Mittleren Dorfstraße waren über viele Jahre verwaist und stark sanierungsbedürftig, jedoch aufgrund des Zuschnitts der Grundflächen für Privatzwecke unattraktiv. Die Gemeinde erwarb nach dem einen noch das zweite. 2015 begannen die konkreten Überlegungen, was geschehen sollte. Im März 2018 wurden die Wohnhäuser abgebrochen. Scheune und Nebengebäude wurden umfassend saniert, erstere erweitert zu einer gut ausgestatteten Veranstaltungshalle. Beim Pflastern des Hofs wurde ferner für Sonnen- und Regenschutz bei Festen unter freiem Himmel vorgesorgt. Effizienz ist wichtig: Nach dem Innenausbau der alten Werkstatt zum Verkaufsraum mit Getränke- und Speisenausgabe wird diese den hygienischen Anforderungen und den praktikablen Arbeitsabläufen sehr gut gerecht.
Dank eines Flächentausches konnten in einem Neubau Kapazitäten geschaffen werden, um die Ausstattungsgegenstände der Vereine unterzubringen. Und durch den Zukauf und den Abbruch des ebenfalls leerstehenden Nachbarhauses konnte ein Schauraum für die Dreschmaschine errichtet werden, die schon eine Hauptrolle in einem Dokumentarfilm gespielt hatte. Architekt Christoph Markert aus Hollstadt griff bei der Außengestaltung der Halle die Fassadenstruktur der gegenüberliegenden Alten Schule von 1901 auf. Überhaupt blieb das ortstypische Bild erhalten, indem viele Materialien wiederverwendet wurden. So wurden zwei Scheunentore aufgearbeitet und aus den Abbruchsteinen eine Abtrennung zur Straße hin aufgemauert.
Bild: Kathrin Kmeth,
Abdruck honorarfrei
3500 unbezahlte Arbeitsstunden
Im Mai 2020 war das Projekt weitgehend abgeschlossen. Die Vereinsgemeinschaft unter Vorsitz von Ansgar Büttner erwarb des Weiteren eine angrenzende Scheune, um auch größere Gerätschaften unterstellen zu können. Sanierung komplett in Eigenleistung!
Bis dahin hatten über 130 fleißige Helferinnen und Helfer bereits mehr als 3500 unbezahlte Arbeitsstunden geleistet. Dadurch wurden die kalkulierten Kosten von 511 700 Euro nicht überschritten. Die Gemeinde wurde lediglich mit 143 400 Euro belastet. Rund 368 000 Euro an Bundes- und Landesmitteln wurden akquiriert – unter anderem aus dem Fonds „zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“.
Unabhängig von der finanziellen Seite haben Bürgermeister Georg Menninger und alle etwa 450 Wargolshäuser Grund sich riesig zu freuen. Denn: „Ganz im Sinne der Innenentwicklung hat sich (…) – bedingt auch durch die identitätsstiftenden und beispielgebenden öffentlichen Maßnahmen – die Anzahl der leerstehenden Gebäude im Ort von 18 auf 8 verringert.“ Möglicherweise hat sich diese Feststellung aus dem Vorjahr zwischenzeitlich nochmals verbessert.