(11. November 2021) Würzburg/Bad Kissingen - Wie können Überschwemmungsrisiken in der Ortsplanung berücksichtigt, wie effektive und sich zugleich harmonisch ins Landschaftsbild einfügende Bauwerke für den Hochwasserschutz verwirklicht werden? Über derlei topaktuelle Themen haben sich jetzt Vertreter des Amts für Ländliche Entwicklung (ALE) Unterfranken und weiterer Fachbehörden mit Architekten, Vermessungsingenieuren und Volksvertretern aus dem französischen Department Calvados intensiv ausgetauscht; die Partner treffen sich im zweijährigen Rhythmus – diesmal in der Rhön. Am meisten imponierte den Gästen die Begeisterung der hiesigen Bevölkerung für ihre in der und für die Heimat hergestellten Produkte.
Eine Exkursion führte in die Fertigungs- beziehungsweise Geschäftsräume einiger Vertreter des „HeimatUnternehmen Bayerische Rhön e. V.“. Allen voran Christian May, Felix Schmidl und Markus Büttner präsentierten bunt und engagiert, wie sich die 68 Mitglieder gegenseitig unterstützen: Beispielsweise würde die Besitzerin eines Lebensmittelladens mit einem außergewöhnlichen Sortiment, aber wenig Ahnung davon, wie sie die Genüsse bewerben könne, durch einen Vereinskollegen die nötige „Nachhilfe“ im Marketing erhalten. Und was zusammenpasst, wird auch zusammengespannt. So konnten sich Franken und Franzosen in einer neu errichteten Brauerei in Stockheim nicht nur an flüssigen Kostproben erfreuen, sondern auch an Wurst und Pastete aus einer Ostheimer Traditionsmetzgerei.
In Ostheim fuhren die Delegationen an den Hallen eines Biolimonadenherstellers vorbei, um gleich darauf in Nordheim große Holunderanbauflächen zu sehen und mit dem betreffenden Landwirt zu sprechen. Dieser liefert den fruchtigen Rohstoff natürlich in die benachbarte Getränkefabrik. Joachim Mair, ALE-Sachgebietsleiter für Land- und Dorfentwicklung, der die staatlich bezuschussten Maßnahmen in Nordheim behördlicherseits betreut hatte, meint: „Da kriegen die Franzosen feuchte Augen, wenn sie mitbekommen, mit welch hohen Geldern unser Freistaat Bayern den ländlichen Raum fördert.“
Wie sich die Orte seit 1850 weiterentwickelten, kann sich im Übrigen jeder mittels des BayernAtlas, des kostenfreien Kartenviewers der Bayerischen Vermessungsverwaltung, anschauen. Im BayernLab Bad Neustadt, einem Fachbereich beziehungsweise einer Außenstelle des von Albert Köder geleiteten Amts für Digitalisierung, Breitband und Vermessung (ADBV) Bad Kissingen, können gar Naturkatastrophen wie Vulkanausbrüche simuliert und in Echtzeit die jeweiligen Veränderungen farblich auf topographischen Karten verdeutlicht werden. Unter dem Motto „anschauen – anfassen – ausprobieren“ können sich Besuchergruppen vom Vorschul- bis zum Seniorenalter „aufschlauen“ lassen.
Zehn solcher BayernLabs gibt es landesweit bereits, dreizehn sollen es langfristig sein. In Bad Neustadt freute sich das Fachpublikum aus Unterfranken und dem Calvados unter anderem zu erfahren, dass hier per Online-Unterricht und -Prüfung der „Drohnenführerschein“ gemäß neuer EU-Verordnung für den Betrieb von Multikoptern erlangt werden kann.
Luftaufnahmen zeigen wohl am besten das Ausmaß von Überschwemmungen. Die Siedlungen im französischen Küstengebiet sind in doppelter Hinsicht gefährdet: Einerseits drängen angeschwollene Flüsse dem Ozean entgegen, andererseits drückt das durch Stürme aufgewirbelte Meerwasser ins Landesinnere. Zu dieser Problematik steuerten die Partner aus dem Calvados bei einem Symposium im Bad Kissinger Kurcafé gleich mehrere Vorträge bei; bis 2040 sollen die Prognosen bezüglich der Auswirkungen des Klimawandels in den Planungen berücksichtigt sein.
Von fränkischer Seite erläuterte Leonhard Rosentritt, Leiter des Wasserwirtschaftsamts Bad Kissingen, das umfassende, nach dem Jahrhunderthochwasser von 2003 verwirklichte Konzept, das sich beim neuerlichen Hochwasser 2011 in der Kurstadt bereits bewährte. Hochwassertor, Hochwasserschutzteich, Hochwasserschutzmauer in Verbindung mit mobilen Elementen und hochwasserfreie Stege waren errichtet worden. Eine besondere Herausforderung hatte dabei darin bestanden, die technische Funktionsfähigkeit und den Denkmalschutz in Einklang zu bringen, eine Gefahr für die Heilquellen auszuschließen und den laufenden Kurbetrieb nicht über Gebühr zu stören.
Einen weiteren „Stadtumbau“ in Bad Kissingen im Rahmen des Projekts „Bayern barrierefrei 2023“ ließ Manfred Grüner, Sachgebietsleiter für Städtebau bei der Regierung von Unterfranken, schon einmal anklingen. Im Wesentlichen beschrieb er dieses Mal am Beispiel von Mellrichstadt, wie nach Schließung von Bundeswehrkaserne und Kreiskrankenhaus neuer Wohnraum geschaffen und die Altstadt umgestaltet wurden – „bei Wahrung des kulturellen Erbes“.
Der Stoff für den künftigen Erfahrungsaustausch geht nicht aus. ALE-Amtsleiter Jürgen Eisentraut und Hubert Courseaux, Präsident der Architektenkammer des Calvados, haben ein Wiedersehen für 2023 in Frankreich verabredet. Dann will auch der unterfränkische Bezirkstagspräsident Erwin Dotzel mitreisen. Dass er die 16-köpfige Abordnung gleich bei der Ankunft in Bad Kissingen selbst willkommen hieß, war ihm ein echtes Anliegen.