(9. Juni 2022) Würzburg/Lohr-Wombach – In Unterfranken profitieren die Menschen offensichtlich mehr als in anderen Teilen Bayerns von der „Förderung von Kleinstunternehmen der Grundversorgung für vitale Dörfer“. Das gleichnamige staatliche Programm ist hier besonders stark gefragt. Lange vor Ablauf des fünften Jahrs seit dem Start der Initiative hat das Amt für Ländliche Entwicklung (ALE) Unterfranken jetzt den 150. Bescheid erteilt.
Einen Zuschuss erhält erstmals ein genossenschaftlich organsierter Betrieb: Die Bevölkerung von Wombach hat in dem Stadtteil im Süden von Lohr a. Main Anfang Mai eine Dorfgenossenschaft ins Leben gerufen, um die örtliche Bäckerei wiederzueröffnen, deren Eigentümer diese Ende März aufgrund seiner angegriffenen Gesundheit schloss. ALE-Amtsleiter Jürgen Eisentraut überbrachte dem Vorstand und Aufsichtsrat am Donnerstag, 9. Juni 2022, einen Scheck im XXL-Format über 85.563 Euro. Das Geld soll der Genossenschaft ermöglichen, die Maschinen- und Geschäftsausstattung zu übernehmen und zu ergänzen, die bauliche Situation zu verbessern sowie ein Auslieferungsfahrzeug anzuschaffen. Am 20. Juni soll der Laden aufgeschlossen werden – unter der Mundartbezeichnung „Wombicher Beck“.
„Die Genossenschaft wird bereits vom Start weg von einer breiten Basis getragen, was durch die hohe Beteiligung und Zeichnung von Anteilen sichtbar wird“, so ist im Businessplan zu lesen. Tatsächlich waren an der Gründung am Muttertag knapp 250 Personen beteiligt, die erklärten, Anteile im Wert von 200.000 Euro erwerben zu wollen. Inzwischen ist laut Finanzvorständin Manuela Roth die Mitgliederzahl auf fast 700 gewachsen; rund 2000 Menschen vom Baby bis zum Greis leben im Stadtteil.
Die Verantwortlichen betonen, die wesentliche Komponente der Geschäftsaktivitäten sei es, die traditionelle Bäckerei fortzuführen, aus der fast 100 Jahre lang frische Waren gekommen seien. Die Wohn- und Lebensqualität des Dorfes Wombach hätten sie sich zur Aufgabe gestellt. Organisation und Durchführung von ergänzenden Veranstaltungen wie zum Beispiel Märkten würden in Betracht gezogen. Vorrangig sei zunächst, die vorhandene Produktpalette und die Arbeitsplätze zu erhalten. Drei Bäckergesellen sowie vier Voll- und Teilzeitkräfte für den Verkauf sollen übernommen werden. Als neuer Betriebsleiter konnte der Bäckermeister und erste Brotsommelier im Landkreis Main-Spessart, Simon Riethmann, gewonnen werden. (Für den Besuch des ALE-Leiters aus Würzburg hat er extra einen 14-Pfünder-Brotstollen in den Ofen geschoben.)
Die Räumlichkeiten an der Wombacher Straße 90 sind „auf unbestimmte Zeit“ gepachtet. Für den Neustart muss die Genossenschaft allerdings das Inventar übernehmen, manche Ausstattungsteile wie etwa die Spülküche sowie das Kassensystem und die Elektroinstallation erneuern und darüber hinaus ein Fahrzeug für Auslieferungen einsetzen. Der Finanzbedarf summiert sich laut Förderantrag auf 231.410,85 Euro.
Die Menschen sollen sich überall im Freistaat Bayern „grundversorgen“ können, sich also am besten lokal mit den wichtigsten Lebensmitteln eindecken können. Deshalb unterstützen die Ämter für Ländliche Entwicklung in den sieben Regierungsbezirken entsprechende Investitionen sowohl von eingesessenen Unternehmen als auch von sogenannten Start-ups. In Unterfranken, wo, wie der hiesige Behördenleiter Jürgen Eisentraut erläutert, nur Würzburg, Schweinfurt und Aschaffenburg die Funktion als wirkliche Zentren erfüllen, ist die öffentliche Hand in besonderer Weise gefordert. So habe das Amt in Würzburg seit 2018 schon über 6 Millionen Euro an Kleinstunternehmen der Grundversorgung ausbezahlt. Solche seien nicht nur Bäckereien, Metzgereien, Hof- und Dorfläden sowie Gaststätten; dazu zählten auch schon ein Taxi- und Mietwagenservice und eine Praxis für Physiotherapie. Die dadurch gesteigerte Lebensqualität und die Impulse für die heimische Wirtschaft seien eigentlich nicht zu beziffern und würden jeweils ein Vielfaches des eingesetzten Betrags ausmachen.
Im Fall von Wombach stehen im Bescheid 85.563,68 Euro als „vorläufige Projektförderung“ bei 194.462,90 Euro anerkannten zuwendungsfähigen Ausgaben; die endgültige Höhe bestimmt sich nach den Rechnungen zusammen mit den Zahlungsnachweisen. Der Höchstfördersatz liegt bei 45 Prozent der Nettoinvestition. Weil die baulichen Maßnahmen jedoch mit maximal 35 Prozent bezuschusst werden, ergibt sich in Wombach letztlich ein Mischfördersatz von 44 Prozent.
Dirk Rieb, stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender und 2. Bürgermeister der Stadt Lohr a. Main, ist begeistert von dem Tempo, mit dem im ALE Unterfranken gearbeitet wird: „Den ersten Kontakt knüpften wir am 26. April. Am 30. Mai hatten wir schon die schriftliche Zusage. Das schnellste Amt im Land!“
Leitender Baudirektor Eisentraut lobt umgekehrt die kompetente Arbeit der Wombacher. Das rechtliche Konstrukt der Dorfgenossenschaft sei die „ideale Unternehmensform“: Sie beteiligt die Anteilseigner am Geschäftserfolg, den sie als Kunden mit ihren Einkäufen maßgeblich beeinflussen.
Als größtes Risiko sehen Genossenschaftsvorstand und -aufsichtsrat die aktuell rasant steigenden Material- und Energiekosten. Trotzdem hoffen sie, schon im ersten Geschäftsjahr einen Überschuss erzielen zu können. Fremdkapital aufzunehmen, ist jedenfalls nicht vorgesehen.